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Sind Trainer mit einem Matchplan die besseren Trainer?

9 Apr, 2014

Wer derzeit im Signal-Iduna-Park bei Jürgen Klopps Dortmunder Borussia zu Gast ist, der muss sich auf eine ungemütliche Anfangsphase einstellen. Gerade in der ersten Viertelstunde ihrer Heimspiele setzen die Borussen ihren Gegner schon tief in dessen Hälfte unter Druck, um diesen gar nicht erst ins Spiel kommen zu lassen. Es sollen frühe Ballverluste und eine damit einhergehende Verunsicherung beim Gästeteam erreicht werden, die das Spiel schon früh in die richtige Richtung lenkt, im Optimalfall mit einem zeitigen Führungstor. Doch auch, wenn dieses nicht gelingt, reduziert die Mannschaft von Jürgen Klopp nach der Anfangsphase regelmäßig das Tempo. Das kraftraubende Spiel der Anfangsviertelstunde wäre ohnehin nicht über die komplette Spielzeit durchzuhalten. Viele Gegner der Dortmunder kommen dann zwar besser ins Spiel, können den Schalter aber nur schwer auf eigenen Spielaufbau und gefährlichen Offensivfußball umlegen. Sobald sich der Gast von der Dortmunder Druckphase erholt und die Verunsicherung abgelegt hat, zieht die Borussia das Tempo wieder an. Viele Gegner sind an dieser Strategie Jürgen Klopps in der jüngeren Vergangenheit gescheitert, selbst internationale Spitzenmannschaften wie Real Madrid.

Natürlich ist diese Beschreibung des Dortmunder Spiels nur auf seine groben Züge beschränkt. Vor jeder Partie analysiert der Trainerstab der Borussen den nächsten Gegner und stellt eine Strategie auf, um diesen zu schlagen. Die großen Fragen in der Spielvorbereitung drehen sich dabei immer um Stärken und Schwächen des Gegners und darum, wie man diese mit der eigenen Qualität und dem eigenen Spielermaterial am erfolgversprechendsten eliminieren beziehungsweise ausnutzen kann. Es wird ein Matchplan erstellt, der der legendären Kabinenansprache des 1990er Weltmeistertrainers Franz Beckenbauer um Einiges voraus ist. Der Kaiser stellte seine Mannschaft in tiefstem bayrisch auf das Finale gegen Argentinien ein mit den Worten: "Geht´s raus und spielt´s Fußball!"

Jürgen Klopp ist bei Weitem nicht der Einzige, dessen Mannschaften für jedes Spiel einen Matchplan mit auf den Weg bekommen. Für den modernen Trainer gehört der Matchplan genauso zum Alltag wie der Medizinball für den harten Hund der alten Schule. Ob Pep Guardiola oder José Mourinho, ob Thomas Tuchel oder Markus Weinzierl - Trainer, die heutzutage erfolgreich sind oder sich auf dem besten Weg befinden, zu einem großen Coach zu werden, pfeilen permanent an Matchplänen und der Weiterentwicklung der eigenen Mannschaft bezüglich strategischer und taktischer Qualitäten.

Thomas Tuchel beispielsweise, ein Trainer, dessen Karriere bei Mainz 05 scheinbar nur bergauf gehen kann, ändert seine Aufstellung auch nach erfolgreichen Spielen gern einmal auf gleich fünf oder sechs Positionen, immer abhängig vom nächsten Gegner mit all seinen Stärken und Schwächen und der darauf ausgelegten eigenen Strategie. Auch während der Partien ist er immer in der Lage, seine Strategie an den aktuellen Spielverlauf anzupassen. Er reagiert auf Tore für oder gegen seine Mannschaft genauso wie auf strategische Veränderungen des Gegners. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie sich hochqualifizierte Trainer mit einem Matchplan in der Tasche während des Spiels gegenseitig herausfordern und aufeinander reagieren. Thomas Tuchel beherrscht diese taktischen Kämpfe ausgezeichnet und schafft es somit immer wieder, die Mainzer in der Tabelle vor nominell stärkeren Gegnern zu platzieren. Ähnliches gelingt in vielleicht sogar noch eindrucksvollerer Art und Weise in der jüngsten Vergangenheit dem Matchplan-Trainer Markus Weinzierl mit dem FC Augsburg, der von Experten aufgrund seines eher mittelmäßigen Spielermaterials zum Abstiegskandidaten Nummer Eins auserkoren wurde und nun um die internationalen Plätze mitspielt.

Noch immer wird Fußball oftmals durch die individuelle Klasse einzelner Spieler entschieden, mehr und mehr jedoch wird Fußball zu einem Strategiespiel, in der die Mannschaft die Nase vorn hat, welche die für dieses Spiel bessere Strategie verfolgt. Interessant anzusehen waren in den letzten Jahren immer auch die Clásico-Duelle zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona unter den mittlerweile abgewanderten Trainern José Mourinho und Pep Guardiola. Ihr erstes großes Aufeinandertreffen erlebten die beiden in ihrer Persönlichkeit so unterschiedlichen Kontrahenten im Halbfinale der Champions League-Saison 2009/2010. Das vom Portugiesen trainierte Inter Mailand traf damals auf den klar favorisierten FC Barcelona unter der Regie des Spaniers Pep Guardiola. Alle Welt rechnete mit einer in typisch italienischem Stil verteidigenden Inter-Mannschaft, die allein auf den einen Konter hofft, um die Sensation schaffen zu können. Was dann auf dem Platz passierte, überraschte die Fußballfans und schockte Barcelona. Nach einer kurzen Abtastphase und der nicht ganz unverdienten frühen Führung der Spanier brannten die Italiener ein ungeahntes Offensivfeuerwerk ab. Barcelona, einen solchen Gegner nicht gewöhnt, kam mächtig ins Schwimmen und wusste mit dem Spielstil der Gastgeber nicht so recht umzugehen. Am Ende siegten die Mailänder und José Mourinho mit 3:1. Im Rückspiel dann setzte Mourinho auf seine schon für das Hinspiel erwartete Mauertaktik. Ein weiterer Kampf mit offenem Visier wie in der ersten Partie in Mailand hätte wohl in einem Desaster für die spielerisch deutlich unterlegenden Italiener geendet. Es war der Überraschungseffekt, mit dem Inter den spanischen Topfavorit im Hinspiel hatte in die Schranken weisen können. Trotzdem schien der Plan im Rückspiel ins Wanken zu geraten, als Mourinho-Schützling Thiago Motta schon nach gut 20 Minuten des Feldes verwiesen wurde. Doch auch mit zehn Mann verteidigte Inter clever und erfolgreich den eigenen Strafraum, mehr als ein spätes 1:0 gelang Barca nicht. Bis heute sind Mourinhos Mannschaften für eine perfekte Verteidigung des eigenen Strafraums bekannt, die kaum Zweikämpfe und nur wenig Ballbesitz benötigt. Mourinho lässt gern passiv verteidigen. Im Jahr 2010 gewann Inter durch einen Finalsieg gegen die wieder favorisierten Münchner Bayern die größte Trophäe des europäischen Vereinsfußballs.

Gerade dann, wenn scheinbar unterlegene Mannschaften am Ende eines Spiels als Sieger vom Platz gehen, ist oft der richtige Matchplan der Vater des Erfolges. Gute Trainer weisen langfristig nach, dass sie mit ihren Strategien bessere Ergebnisse einfahren können als Trainer, die zwar bessere Einzelspieler zur Verfügung haben, jedoch strategisch über weniger Qualitäten verfügen. In der Regel ist es dann eine Frage der Zeit, bis diese Trainer den Weg zu Spitzenklubs finden und auf die Jagd nach ganz großen Erfolgen geschickt werden. In der Bundesliga sind derzeit Thomas Tuchel und Markus Weinzierl die aussichtsreichsten Kandidaten auf ein Engagement bei einem Topklub und einen ähnlichen Karriereweg, wie ihn Jürgen Klopp gerade geht. Was alle drei genannten Trainer verbindet, ist ihre fehlende Vergangenheit als Bundesliga-Spieler. Zwar waren alle fußballerisch aktiv, bevor sie in das Trainergeschäft einstiegen, jedoch schaffte es keiner in die erste Liga und zu einer Spielerkarriere, die es auch nur annähernd mit ihrer anschließenden Trainerkarriere aufnehmen könnten. Dies ist ein neuer Trend im Profi-Fußball, war doch bisher die Qualität eines Fußballspielers zumeist das wichtigste Kriterium bei der Besetzung von Trainerstühlen. Immer mehr setzt sich nun aber die Meinung durch, dass gute Spieler noch lange keine guten Trainer sein müssen, sodass immer mehr Trainer aus unteren Ligen oder dem Nachwuchsbereich ins Profigeschäft eindringen und dieses aufmischen. Auch José Mourinho übrigens war nie ein großer Kicker.

Der Beruf des Trainers ist mehr denn je der eines Strategen. Seine Aufgabe besteht darin, die vielen unterschiedlichen Faktoren des Erfolges im Fußball so miteinander zu kombinieren, dass am Ende Spiele gewonnen werden können. Nie war die Aufgabe eines Trainers umfassender und vielfältiger als heute. Die Erstellung eines Matchplans vor jedem Spiel ist im Alltag eines guten Trainers unerlässlich. Denn heutzutage gilt, dass ein Trainer mit einem Matchplan seinem Kollegen ohne Plan klar überlegen ist. Treffen zwei nominell gleich starke Mannschaften aufeinander, ist die Wahrscheinlichkeit eines Sieges für die Mannschaft größer, die einen ausgefeilten Matchplan verfolgt.